Aus den Regionen //

11.11.2022

Vinagre de Jerez

Der Sauer-Stoff, aus dem die Träume sind

Herkunft ist alles!

Das Geheimnis der tatsächlich außergewöhnlichen, ja einzigartigen Qualität von Sherry-Essig liegt zweifellos in seiner Herkunft. „De buen vino, buen vinagre“ weiß der Volksmund, und nirgends ist dieses Prinzip so sehr Realität wie hier: Der Vinagre aus Jerez wird aus Sherry-Weinen gewonnen, edlen Weinen par excellence, die dem Essig ein ganzes Füllhorn hervorragender Eigenschaften verleihen. Alle Elemente, die Sherry so einzigartig machen (Albariza-Böden, Rebsorten, Mikroklimata der Pagos und Bodegas, Solera-System etc.), sind auch für diesen Essig essenziell.

Wie auch den Sherrywein machen die weißen Albariza-Böden auch den Sherryessig so einzigartig.

Sauer macht Geschichte

Auf der Iberischen Halbinsel beginnt die Geschichte des Essigs mit der des Weins. Eine Geschichte, deren Anfänge etwa 3000 Jahre zurückliegen, als die Phönizier erstmals im Süden der Insel landeten und die ersten Rebstöcke auf den gleißend weißen Böden pflanzten. Bald war der Weinbau in dieser Region von grundlegender Bedeutung, der Wein über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Und beliebt! Aus alten Überlieferung wissen wir, dass er voll den Geschmack der römischen Truppen traf, die um 200 v. Chr. die Karthager als Herren der Insel ablösten. Für die alten Römer waren Essig und Öl unverzichtbar, und beides bezogen sie sehr bald in großem Stil aus dem heutigen Andalusien.

Am Anfang war der Sherry … und Acetobacteraceae

Essig entsteht, wenn Wein (oder eine Flüssigkeit mit vergleichbarem Alkoholgehalt) mit Luft in Berührung kommen und mikroskopisch kleine Lebewesen, Bakterien der Gattung Acetobacter den Alkohol zu Essig oxidieren. Vor Jahr und Tag war Essig – auch in Andalusien – hauptsächlich ein Zufallsprodukt. Im 19. Jahrhundert konnte man das Wunder der Essigwerdung kontrollieren und exportierte bald nach ganz Europa, es sollte aber bis in die 1940er-Jahre dauern bis Produzenten wie der „Essig-König“ Páez Morilla oder Pilar Aranda (heute Alvaro Domecq), das Potenzial des Vinagre de Jerez erkannten und das gleiche Reifeverfahren – das Solera-System – anwandten, das beim Sherry, diesem großen, unglaublich facettenreichen und verblüffend erschwinglichen Wein, zum Einsatz kommt.

Die ältesten Essige, die für die Abfüllung bestimmt sind, werden aus untersten Fassreihe, der „Solera“ entnommen, wobei die entnommene Menge durch jüngeren Essig aus der darüber liegenden Reihe, der ersten „Criadera“ ersetzt wird. 

Alles beginnt also mit einem Sherry, der nicht aufgespritet, stattdessen kontrolliert weiter vergoren wird. Die komplexen Aromen beziehungsweise Geschmacksprofile, die Sherry auszeichnen, die getrockneten Früchte, Mandel- und Nussnoten, der Eindruck einer leicht salzigen Brise, der zart florale Duft – all das findet sich auch in einem Sherry-Essig wieder. Forscher haben darin annähernd 60 unterschiedliche aromatische Verbindungen identifiziert, ein einzigartiger Fingerabdruck, der den Vinagre de Jerez deutlich von anderen Essigen unterscheidet. Er liegt mit seiner perfekten Balance von Säure und Körper, Süße und Tiefe zwischen Weiß- und Rotweinessig, hat aber auch etwas von einem Balsamico. Der eine Essig für die „einsame Insel“? Das ist er! 

Die Aromen und Geschmacksprofile sind komplex: getrocknete Früchte, Mandel- und Nussnoten, der Eindruck einer leicht salzigen Brise, der zart florale Duft – all das findet sich in einem Sherry-Essig wieder. 

Neugierig? Hier gibt‘s einen Einblick in die Welt des Vinagre de Jerez.

Criaderas und Soleras – ein ewiger Kreislauf

So wie der Sherry auch wird Vinagre de Jerez in Holzfässern, den klassischen „Botas“, ausgebaut. Diese Fässer sind in sogenannten „Andanas“ in mehreren Reihen übereinander angeordnet. Die ältesten Essige, die für die Abfüllung bestimmt sind, werden aus untersten Fassreihe, der „Solera“ entnommen, wobei die entnommene Menge durch jüngeren Essig aus der darüber liegenden Reihe, der ersten „Criadera“ ersetzt wird, und dieser wiederum durch noch jüngeren Essig aus der darüberliegenden zweiten „Criadera“ und so in einem fort. Dieser Prozess wiederholt sich Jahr für Jahr, so dass jede Flasche kleine Mengen sehr reifen Essigs enthält, die sich mit neueren Jahrgängen vermischen. Das Ergebnis: eine faszinierende Komplexität und vor allem bemerkenswerte aromatische Konzentration, eine Mischung aus reifer Tiefe und strahlend heller Säure.

So wie der Sherry wird Vinagre de Jerez in Holzfässern, den klassischen „Botas“, ausgebaut. Diese Fässer sind in sogenannten „Andanas“ in mehreren Reihen übereinander angeordnet.

Vinagre de Jerez is … different. Und das mit Gusto!

Es sind vor allem zwei Dinge, die den Sherry-Essig zu etwas ganz Besonderem machen: sein Alter und die Traubensorten. Beides Schlüsselelemente, die dem Sherry-Liebhaber vertraut sind. Sherry-Essig wird nach Reife klassifiziert, zunächst muss alles, was die Bezeichnung „Vinagre de Jerez“ trägt, mindestens sechs Monate in Holzfässern gereift sein. Das bedeutet, dass die jüngsten Sherry-Essige in der Regel zwischen sechs Monaten und zwei Jahren alt sind. In diesem Stadium zeichnet er sich durch Nuss- und zarte Holznoten aus. Essige dieser Kategorie sind echte Allrounder, vielseitig einsetzbar und ein unglaublich köstlicher Einstieg in die Materie. Essige der Kategorie „Reserva“ reifen zwischen zwei und zehn Jahren. Sie nehmen nicht nur die Farbe von dunklem Holz an, sondern auch das ganze Aromenspektrum der Fässer, in denen sie reifen. Während dieser Zeit verdunstet auch ein Teil des Wassers aus den „Botas“, was den Aromen eine besondere Tiefe und Konzentration verleiht (jetzt mehr Holz, aber auch Vanille, Karamell und Salz) und den Säuregehalt etwas steigen lässt. steigt. Reift der Vinagre de Jerez mehr als 10 Jahre, gilt er als „Gran Reserva“, die Königsklasse des Sherry-Essigs. Wie man es auch von den Sherry-Weinen kennt, sind einige dieser Kostbarkeiten viele Jahrzehnte alt: Wunder an Komplexität, die Aromen in „Panoramavision“, ein Kosmos von Gewürzen und Trockenfrüchten bis hin zu Rancio-Noten, weich und geheimnisvoll.

Das Alter des Sherry-Essigs ist eine Möglichkeit der Klassifikation. Eine andere widmet sich den Trauben, aus denen er hergestellt wird. Der Marco de Jerez ist vor allem für drei Sorten bekannt: Palomino, allgegenwärtig, zunächst fast ein wenig unscheinbar, enthüllt nach Jahren der Reife, Identität und Schönheit seines Terroirs, ein „unersetzlicher Schatz“ (Pedro Ballesteros MW). Die meisten Essige mit der einfachen Bezeichnung „Vinagre de Jerez“ werden aus Palomino-Trauben gewonnen. Meist sind es trockenere Essige mit zarten Noten von Holz, Heu, getrockneten Früchten und Blüten. Die DOP schreibt einen Mindestsäuregehalt von 7 % vor (8 %, wenn es sich um Gran Reservas handelt). Das bedeutet: helle, rezente, prononciert pikante Säure (deutlich ausgeprägter als man es von klassischen „Haushaltsessigen“ kennt) – ein toller Allrounder für alle Küchenlebenslagen. Pedro Ximénez, die sich wie keine zweite Sorte zur Produktion von Rosinen eignet und vor allem den sehr süßen Sherrys der Region Montilla-Moriles zu all ihrer Pracht verhilft. Die Trauben werden dafür nach der Ernte in der Sonne getrocknet, wodurch der Zucker konzentriert wird und Aromen entstehen, die an Gewürzen (vor allem Süßholz), Leder, Mokka oder gebackene, getrocknete oder eingekochte Früchte (Feigen, Aprikosen, etc.) erinnern. Die Säure von etwa 6 %, die der „PX“ als Essig mitbringt, lässt die Süße der rosinierten Trauben geradezu singen. Moscatel, als Wein häufig unterschätzt, dabei sind seine Honigsüße in Verbindung mit einer ungeheuer aromatischen Säure ein Traum! Als Essig entzieht er sich praktisch jeder Typisierung, denn je nach Reifezeit ist von spielerisch leicht über seidenweich bis fast üppig reichhaltig alles möglich!

Vinagre de Jerez kann nach den Trauben klassifiziert werden, aus denen er hergestellt wird. Der Marco de Jerez ist vor allem für drei Sorten bekannt: Palomino, Pedro Ximénez und Moscatel. 

Ein Wunder an Vielseitigkeit

Dass man mit Sherry jedes Menü, jede nur erdenkliche Speisenfolge perfekt begleiten kann, dürfte sich mittlerweile weinweltweit herumgesprochen haben. Da liegt die Vermutung doch recht nahe, dass Sherry-Essige ähnliche Universalisten sein könnten … Und tatsächlich: Die ersten Schritte in der Küche mit Vinagre de Jerez eröffnen ein Panorama der unbegrenzten Möglichkeiten! Ganz gleich ob traditionelle spanische Gerichte, Rezepte aus dem Mittelmeerraum, Pan-Asiatisches oder komplexes Fusion-Food – Sherry-Essig ist die ideale Ergänzung, ein wirklich universales Würzmittel. Die oben erwähnte Fülle seiner Aromastoffe hebt zum Beispiel Salatdressings auf ein neues Niveau.

Eine perfekte Begleitung auch für Rezepte aus dem Mittelmeerraum: Sherryessig eröffnet als Würzmittel nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. 
 

Übrigens: Regie- und Schauspiellegende Orson Welles war ein großer Sherry-Fan, er trat sogar in Werbespots des Herstellers Domecq auf. Weniger bekannt ist seine Liebe zu Sherry-Essig, die von den französischen Dokumentarfilmern François Reichenbach und Frédéric Rossif auf Zelluloid festgehalten wurde: Hier verrät er das Geheimnis seines Salatdressings: „Sherry vinegar“!

Bei der Auswahl eines Sherry-Essigs sollte man sich zunächst vergewissern, dass er tatsächlich das Siegel der DOP trägt. Dann: Ist er Solera-gereift, wenn ja, wie lange (jüngere Essige sind frischer und pikanter, ältere Essige tiefgründiger und reichhaltiger). Und: Welche Rebsorten wurden verwendet? Ihrer Kombination aus Geschmackstiefe, Säure und Süße wegen harmonieren diese jüngeren Essige hervorragend mit Sojasauce und Ingwer. Außerdem „hellen“ sie herzhafte Eintöpfe und Gerichte mit Speck auf und verleihen ihnen ein Frischekick.

• Weinig-holzige Aromen bringt Vinagre de Jerez der Kategorie „Reserva“ ins Spiel, dazu Vanille und Nüsse sowie noch immer helle, säurebetonte Komponenten und Noten von trockenem Sherry – was sich wunderbar zu Gazpacho oder Ajo Blanco (eine kalte Mandelsuppe) kombinieren lässt, zumal dieser Essig auch eine gründliche Kühlung ohne Aromaverlust übersteht.

• Die kräftige Säure von „Gran Reserva“-Essigen wird durch ihren weichen, fast üppig reichhaltigen Charakter aufgefangen, dank seiner aromatischen Tiefe kann er es auch mit den komplexesten Röstaromen (ganz gleich ob aus der Sauteuse oder dem Ofen) aufnehmen, spektakulär auch in Sachen Tajine!

• Pedro-Ximénez-Essig erhöht den Grad an aromatischer Intensität gewaltig, aufgrund seiner Dichte, seiner fast schon robusten Süße eignet er sich hervorragend für ein BBQ: Als „baste“ oder „mop“ ist er eine mittlere Erleuchtung! Großartig auch zu frischen Früchten (unbedingt zu Erdbeeren oder Chirimoyas probieren!) und diversen Käsen: Stilton, Cabrales, Torta del Casar – ein Gedicht!

• Vinagre de Jerez aus Moscatel-Trauben passt mit seinem intensiven, leicht floralen Duft, seiner Honigsüße und feinen, weichen Säure ganz vorzüglich zu Zitrusfrüchten (etwa einem Salat mit Bacalao, Orangen und Oliven), zu frischen Austern oder als Bestandteil eines Ceviches. Aber auch zu Süßspeisen läuft dieser Essig zu Hochform auf. Unser Favorit: eine Tarte tatin mit Quitten!

Ein kleiner Tipp zum Schluss: Sherry-Essig hält sich einmal geöffnet Jahre lang! Es spricht also nichts dagegen (und umso mehr dafür!) alle fünf vorgestellten Varianten auszuprobieren: Selten war ein Luxusgut so erschwinglich!

Vinagre de Jerez der Kategorie „Reserva“ bringt weinig-holzige Aromen ins Spiel, dazu Vanille und Nüsse sowie noch immer helle, säurebetonte Komponenten und Noten von trockenem Sherry – was sich wunderbar zu Gazpacho kombinieren lässt. 

www.vinagredejerez.org