Titelthema //

02.11.2021

Das Weinland der zwei Meere

Atlantische und mediterrane Klimaeinwirkungen und ihre Schnittstellen in den Anbaugebieten des spanischen Nordens

Es geht weiter mit dem Einfluss der Meere auf die spanischen Anbaugebiete, die wir in der letzten Ausgabe von VINOS VINOS im spanischen Süden unter die Lupe genommen haben. Und auch im Norden Spaniens entfalten sowohl der Atlantik als auch das Mittelmeer ihre Kräfte.

Die Anbaugebiete im Norden, im Osten wie im Westen, sind von Einflüssen der beiden Meere geprägt, getrennt durch den imposanten Block der Pyrenäen, der wiederum den zentralen Norden entscheidend beeinflusst. Daraus erwächst eine denkbar komplexe Klimasituation, welche dem nördlichsten Viertel der Iberischen Halbinsel einige der interessantesten Terroirs Südeuropas beschert.


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Die Appellation Empordá ist bestimmt durch ein sehr abwechslungsreiches Terrain: An einigen Stellen gewährt die Landschaft den Blick auf offene Ebenen. Viele der historischen Lagen sind zudem in Terrassenform angelegt, um dem Erosionsdruck entgegenzuwirken.
© ICEX / Heinz Hebeisen


Ganz im Nordosten, etwa eine Autostunde von Barcelona entfernt, trifft man auf ein überraschend unbekanntes Anbaugebiet, obwohl die kleine DOP alle Voraussetzungen erfüllt, um qualitativ gesehen zu den besten Spaniens zu zählen. Der Empordá, auf kastilisch Ampurdán genannt, schützt eine in zwei Bereiche geteilte Rebfläche von rund 1.790 Hektar. Die Appellation ist bestimmt durch ein außerordentlich abwechslungsreiches Terrain. Meer und Berge gehen an einigen Punkten direkt ineinander über, an anderen Stellen gewährt die Landschaft auch den Blick auf offene Ebenen. Für den Terroir orientierten Weinbau bietet das kleine Anbaugebiet im Grunde ideale Möglichkeiten, fallen doch die Bodenstrukturen extrem unterschiedlich aus. Die Natur der Topografie schafft zudem unterschiedlichste weinbauliche Situationen, die Parzellen drehen und winden sich in ihrer Ausrichtung in alle Himmelsrichtungen. Der Empordá ist ein hervorragendes Beispiel für den direkten und indirekten Einfluss des Meeres auf den Weinbau. Ähnlich wie im berühmten Sherry-Dreieck am Südwestrand der Provinz Cádiz ist es nicht nur die Wasserfläche an sich, sondern auch die küstennahen Sedimentböden sowie karge Granitformationen, Sauló genant, die aufgrund ihrer kargen mineralischen Beschaffenheit in höchstem Maße auf den Charakter der Trauben einwirken. Nur wenige Kilometer nördlich von Barcelona trifft man indes zuerst auf die Mini-DOP Alella und auf die ersten hochwertigen Lagen am Rande des Naturparks Serralada de Marina. Beide Appellationen profitieren und leiden gewissermaßen in gleicher Weise unter der Nähe des Meeres, wobei die Vorteile überwiegen, wie die Winzer betonen. Die Trägheit der großen Wasserfläche des Mittelmeeres fungiert als großer Moderator, gleicht die Extremtemperaturen des katalanischen Inlandes aus, sorgt aber im Herbst auch oft für sintflutartige Regenfälle. Daher befinden sich viele Rebberge an den meerabgewandten Bergflanken und profitieren so vom relativen Regenschatten der Meereskordilleren. Gerade viele der historischen Lagen sind zudem in Terrassenform angelegt, um dem Erosionsdruck entgegenzuwirken.


Die Besonderheiten der grünen Küste – die Biskaya und der baskische Txakolí


Schon alleine der Blick auf die grünen Sierras des Baskenlandes mit ihrer Gebirgsarchitektur macht deutlich, dass der Weinbau entlang der spektakulären Küste anderen Richtlinien als im mediterranen Spanien folgt. Selbstverständlich weisen auch die Weinmacher und Weinmacherinnen der beiden nördlichen Txakolí-Appellationen Getariako-Txakolina und Bizkaiko Txakolina immer wieder auf die klimatischen Besonderheiten ihrer Terruños hin. Zahlreiche Weinberge stehen in Hanglagen nur wenige Hundert Meter über der Wasserlinie. Andere Pflanzungen befinden sich in den dahinterliegenden Hügelketten und gedeihen unter denkbar konträren Bedingungen. Die eigentlich für ihre Rauheit bekannte Biskaya fungiert an der baskischen Küste zwar in ähnlichem Maße ausgleichendend, wie es die Küstengewässer an anderer Stelle tun. Alleine der klimatische Austausch ist an der baskischen Küste gegenläufig. Statt eine kühlende Funktion einzunehmen, schwächt der Atlantik die kontinentaleren Witterungen der Berge ab. Die extremeren und bis auf den Hochsommer kühleren Temperaturen des gebirgigen Hinterlands erfahren eine gewisse Mäßigung. Die Biskaya lindert und mindert nicht nur die Gefahr von Trockenstress in den Anlagen der meerabgewandten Rebberge, sondern legt auch den Frösten die Zügel an. Dementsprechend weit auseinander liegen auch die Reifezeitpunkte. Am Wasser wird in der Regel zehn bis 14 Tage früher gelesen, als in den allermeisten landeinwärts ausgerichteten Parzellen der Bergtäler. Viele Betriebe machen sich dies zu Nutze und bereiten perfekt austarierte Assemblagen aus Weinpartien der kontinentaleren Lagen und den pur atlantischen Pflanzungen. Nichtsdestotrotz sind die Niederschläge Rekordverdächtig. 900 bis 1.200 Liter pro Quadratmeter sind Programm, und man fragt sich, welche Rebsorte mit einer derart feuchten Witterung zurechtkommt. Die sprichwörtliche Resistenz der Sorte gegen ein hohes Feuchtigkeitsaufkommen ist natürlich in der Physiogonomie der Hondarribi Zuri beziehungsweise Hondarrabi Zeratia zu suchen. Die beiden berühmten weißen Txakolí-Sorten haben im Zuge ihrer jahrhundertlangen Anpassung an das stark vom Atlantik beeinflusste baskische Feuchtklima eine erstaunlich dicke Schale entwickelt und halten Pilzbefall bis zu einem gewissen Grad stand.


Der Gigant zwischen den Meeren


Obwohl die DOCa Rioja auch Klimaeinwirkungen kontinentaler Natur empfängt, bestimmen doch das Mittelmeer und der Atlantik in vielen Jahren die Wetterverhältnisse der Rioja und damit natürlich auch die Ausrichtung der jeweiligen Jahrgänge. Nicht umsonst sprechen die Winzer in Rioja von atlantischen oder mediterranen Jahren, um den Charakter einer Ernte festzumachen. Der nördlichsten Punkt des Anbaugebietes an den Hängen des Toloño-Gebirges in der Rioja Alavesa befindet sich gerade einmal knapp 100 Kilometer Luftlinie von den Stränden der Biskaya entfernt. Mit Fug und Recht bezeichnen die Weinbauern die Weinberge über Labastida als die einzigen echten Cool-Climate-Lagen ihrer berühmten Appellation. Geprägt von kühleren Temperaturen und ausreichenden Niederschlägen, die trotz des von der steil aufragenden Sierras ausgelösten Regenschattens relativ zuverlässig fallen, weisen die Gewächse des Nordwestens etwas mehr Frische und eine meist sehr fein gezeichnete Frucht aus. Wer einmal die mächtigen Wolkenbänder erlebt hat, die sich wie dicke dunkle Wülste über das nördliche Gebirge wölben, kann nachvollziehen, mit welcher Kraft der Atlantik das Nordende der Rioja zu vereinnahmen sucht. Die Weinberge um Labastida sowie an den Hängen der Montes Obarenes oberhalb von Haro stehen verständlicherweise für etwas längere Reifezyklen, welche den Erntezeitpunkt in besonders „atlantischen“ Jahren bis in den November hinein verschieben können. Aber nur wenige Kilometer weiter westlich verstärken sich dann die kontinentalen Einflüsse. Die Situation bleibt zwar durch eine kühle Witterung geprägt, stellt sich aber aufgrund des Kaltluftkorridors von Burgos aus auch etwas rauer dar. Die wohl stärksten atlantischen Strömungen konzentrieren sich im Grunde auf einen sehr begrenzten Landstrich mit einer Handvoll Dörfer, die sich direkt an die steilen Südausläufer des kleinen Toloño-Massivs anschmiegen.


Gerade das Nordufer der DOCa bietet sich perfekt für eine klimatische Beschreibung der Schnittstellen zwischen atlantischen und mediterranen Strömungen an. Vom oberen westlichen Ende mit einer schmalen Talsituation windet sich der Ebro in Richtung Südosten und mit ihm die sich immer weiter öffnenden Talflanken. Die Dörfer ebenso wie die vielen Kleinparzellen entlang des Nordufers verlieren zunächst nur ein wenig an Höhe, um dann schon in der berühmten Sonsierra um San Vicente klare Anzeichen mediterranerer Vegetation aufzuweisen. Von niedrigen Nadelhölzern mit ihren duftig-harzigen Duft ist die Luft ebenso geschwängert wie von weißem und roten Ginster, der trockenere Gefilde ankündigt. Und dann, nur 20 Kilometer weiter den Fluss hinab, bildet die Winzergemeinde Oyón schließlich den schon im hohen Maße mediterran bestimmten Abschluss der Rioja Alavesa. Dort, nur vom Fluss von der riojanischen Kapitale Logroño getrennt, öffnet sich das Anbaugebiet dem Bereich Rioja Oriental mit seinen ockerfarbenen Lehmziegeldörfern, die den warmen und auch mitunter fast ariden Teil der DOCa ankündigen.


Warmluft-Kanal Ebro


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Der Fluss Ebro als Klimamotor: Er trägt die Warmluft des Mittelmeers von Südosten in die Rioja Alta. Die Frucht hier ist voller, das Tanningerüst weicher – die langen Übergangs-Kilometer in der Mitte des Anbaugebietes repräsentieren Balance und Eleganz.
© ICEX / Dpto. Multimedia


Nordspaniens Río Ebro beeinflusst die Rioja in vieler Hinsicht. Nicht nur die geologisch-topographische Gesamtsituation ist auf den Fluss zurückzuführen. Auch die Witterung hängt unmittelbar mit dem berühmten Weinfluss zusammen. Der Ebro kann durchaus als ein Klimamotor gesehen werden, der die Warmluft des Mittelmeers von Südosten in das Anbaugebiet trägt. So steht natürlich nicht nur die Rioja Oriental mit ihren trockeneren Landschaften und höheren Temperaturen in starkem Gegensatz zum oberen Flusslauf. Auch die Winzer der Rioja Alta und selbst Rioja Alavesa, die Weinberge mehr in die Talmitte bestellen, sehen sich diesen warmen Strömungen ausgesetzt. Direkt über dem Fluss gelegene Winzerstädtchen wie Fuenmayor und Cenicero schöpfen ihren legendären Ruf aus ihrer speziellen Lage, über der sich Atlantik und Mittelmeer ineinanderschieben. Die Frucht ist etwas voller, das Tanningerüst unter Umständen etwas weicher; kurzum die langen Kilometer des Übergangs in der Mitte des Anbaugebietes repräsentieren die sprichwörtliche Balance und Eleganz der mediterran-atlantischen Gewächse, welche die Rioja weltberühmt gemacht haben.


Tausendsassa Galicien – atlantische Einflüsse in all ihren Facetten


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Machen das galicische Albariño-Gebiet einzigartig: große Trichtermündungen, die „Rías“. Die vorgelagerten natürlichen Kaltwasserbecken bescheren dem Salnés-Tal mit seinen 114 Erzeugern ein stabil kühles Klima. Perfekt für markant frische und fruchtbetonter Weißweine.
©ICEX / Ignacio Muñoz-Seca


Die klimatische Situation des spanischen Nordwestens ist hochkomplex und bietet eine ganze Palette an Terruños mit mehr oder weniger starkem atlantischen Einfluss. Doch auch wenn kontinentalere Witterungsströmungen aus dem Osten einige Anbaugebiete erreichen, ist und bleibt die große kühle Wassermasse des Atlantiks der bestimmende Faktor. In gewisser Weise steht Rías Baixas für alle Vorzüge, mit denen sich das Terroir des Nordwestens vom Rest des Landes abhebt. Die kühle atlantische Witterung, die erstaunlichen Niederschlagsmengen und die von Minifundien geprägten althergebrachten landwirtschaftlichen Strukturen treten in dieser Kombination eigentlich nur noch im benachbarten Vinho Verde in dieser Kombination auf, allerdings deutlich abgeschwächt. Denn das Alleinstellungsmerkmal des Albariño-Anbaugebietes auf galicischer Seite liegt nun mal in der Situation der großen Trichtermündungen, wie man die Ästuare bzw. Rías auch nennt. Diese vorgelagerten natürlichen Kaltwasserbecken dienen als immense Kühlschränke und bescheren vor allem dem als Salnés-Tal bekannten Hauptbereich der DOP mit seinen 114 Erzeugern ein stabil kühles Klima mit Temperaturen, die selbst an den heißesten Tagen des Hochsommers kaum über 30°Celsius klettern. Eine bessere Ausgangslage für die Bereitung markant frischer und fruchtbetonter Weißweine ist eigentlich kaum denkbar, gerade wenn man die Eigenheiten der weißen Hauptsorte Albariño mit in Betracht zieht. Sie weist kleine Trauben mit mittelgroßen dickschaligen Beeren auf, und ist mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an Apfelsäure am Gesamtsäurewert ausgestattet. Auch wenn sich die Weinmacherinnen und Weinmacher in der ersten Phase der Appellations-Geschichte Ende der 1980er Jahre noch eingeschüchtert zeigten vom außergewöhnlich ausgeprägten Säurebild der Albariño und immer wieder verbreitet auf biologischen Säureabbau zurückgriffen, dauerte es nicht lange, bis sie der enormen Vorteile der großen Sorte des Nordwestens gewahr wurden. Es brauchte nochmal ein Jahrzehnt der Experimente und Emanzipation von konventioneller Uniformität, bis sich eine Weinbauszene entwickeln konnte, die heute durch eine verblüffende Vielseitigkeit besticht.


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Albariño, weiße Hauptsorte der Rías Baixas. Mit kleinen Trauben, mittelgroßen dickschaligen Beeren und außergewöhnlich hohem Anteil an Apfelsäure. Das macht sie verblüffend vielseitig.
© ICEX / Antonio de Benito


Die Albariño und der Atlantik


Das eine ist nicht vom Anderen zu trennen; die Albariño hätte sich ohne den Atlantik sicherlich nicht zu der hochwertigen Sorte in ihrer heutigen Form entwickeln können. Um die Traube und ihre Weine zu verstehen, muss man sich zwingend mit den Anbaubedingungen im Salnés-Tal auseinandersetzten. Dieser größte Bereich der Appellation mit der Albariño-Hauptstadt Cambados gilt als die Wiege der Sorte und weist nicht nur gegenüber den weiteren „sub-zonas“, sondern auch gegenüber allen Anbaugebieten Europas die höchste Dichte an Pergola-Anbau auf. Dies kommt natürlich nicht von ungefähr.


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Der größte Bereich der Rías Baixas mit der Albariño-Hauptstadt Cambados weist Europas höchste Dichte an Pergola-Anbau auf. Durch die vertikale Erziehung entgehen die Trauben dem Pilzdruck, der Fruchtansatz ist besser geschützt und die Blüte wird in windigen und nassen Jahren weniger beeinträchtigt.
© ICEX / Juan Manuel Sanz

Dem Salnés-Tal vorgelagert ist mit der Ría de Arousa das größte Ästuar unter den galicischen „Fjorden“. Durch einen enormen Tidenschub werden alle sechs bis sieben Stunden riesige Wassermassen aus den Tiefen des Atlantiks in die Senkungsmündung hinein- und wieder heraustransportiert. Die Gerüche von Salz, Jod, Algen sowie die von Feuchtigkeit gesättigte Luft sind allgegenwärtig und dringen bis tief ins Landesinnere ein. Diese wirklich absolute atlantische Klimaausprägung erklärt natürlich auch die gerade im Salnés-Tal bis heute vorherrschende Pergola-Erziehung. Dabei geht es vor allem darum, die Trauben in die Höhe zu ziehen, um den Pilzdruck zu entgehen. Zudem ist der Fruchtansatz besser geschützt, und die Blüte wird gerade in sehr windigen und nassen Jahren je nach Pergola-Ausrichtung und Höhe weniger beeinträchtigt. Doch auch die für das Salnés geradezu maßgeschneiderte Erziehungsform hat einen Nachteil. Oder sollte man besser sagen, hatte? Denn die Trauben in Pergola-Anlangen empfangen weniger direkte Sonneneinstrahlung. Dies zieht gerade in der so wichtigen Endphase des Zyklus die Reife in die Länge und setzte vor allem In Zeiten vor der Klimaerwärmung den Erntefolg in Jahren mit früh einsetzendem Herbstwetter nur allzu oft aufs Spiel. In der Vergangenheit muss also die Pergola den Winzern viel Kopfzerbrechen bereitet haben, und sicherlich wägt der ein oder andere Produzent heute ab, ob eine Neupflanzung nicht vielleicht doch besser in Form einer Drahtrahmenanlage anzulegen wäre. Doch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit verbundenen Erwärmung stehen gerade die Spitzenerzeuger des Salnés-Tals mehr denn je hinter ihrer traditionellen Anbauform. Auch wenn diese mit mehr Aufwand und Kosten verbunden ist, kann nach Meinung der meisten Produzenten ein entschleunigender Klima-Faktor gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Pergola und Atlantik bilden ein Duo an Komponenten, die viele andere Anbaugebiete vor Neid erblassen lassen.


Zentral- und Ostgalicien – Anbaugebiete im klimatischen Übergang


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Je weiter im Landesinneren, desto schwächer der Einfluss des Atlantiks. Einige Winzerdörfer des Ribeiros erhalten dennoch paradoxerweise mehr Kühle und Feuchtigkeit als mancher Weinort im Westen, der wegen seiner Talsituation im Regenschatten des Atlantiks steht. © ICEX / Fernando Briones


Je weiter man sich ins Innere der Region begibt, desto schwächer wird verständlicherweise der Einfluss des Atlantiks. Zudem steht und fällt die Intensität der atlantischen Strömungen mit den topographischen Gegebenheiten der einzelnen Appellationen. So erhalten beispielsweise einige Winzerdörfer des Ribeiros im östlichen Teil der DOP paradoxerweise mehr Kühle und Feuchtigkeit als so mancher Weinort weiter im Westen, welcher aufgrund seiner Talsituation im Regenschatten des Atlantiks steht. Eine recht komplexe Situation ergibt sich auch am östlichen Rand Galiciens, wo sich die kleine Appellation Valdeorras im direkten klimatischen Übergang zur Region Kastilien und Léon mit seinen vorwiegend kontinentalen Witterungsverhältnissen befindet.


Im Reich der Godello


Mit nur rund 1.100 Hektar fällt die DOP denkbar klein aus. Luftlinie beträgt die Ausdehnung von Ost nach West nur knapp 20 Kilometer. Auf der kurvigen Landstraße entlang des Río Sil braucht es indes fast eine Stunde, um von einer Appellations-Grenze zur anderen zu gelangen. Die DOP gilt als Heimat der Godello, eine der faszinierendsten weißen Trauben Spaniens, die nach Meinung vieler Fachleute das Zeug zu einem weißen Superstar hat. Extraktreich, strukturiert, je nach Ausbau und Reife cremig, zuweilen verspielt mineralisch, vereint sie Tiefe und Harmonie wie kaum eine andere weiße Sorte Südeuropas.


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Der für das Anbaugebiet so wichtige Río Sil wird durch drei Zuflüsse gespeist, die mit ihren jeweiligen engen Einschnitten die Terroirs des Haupttals ergänzen. Das Gros der Rebfläche konzentriert sich auf das weniger schroffe rechte Ufer mit seinen zahlreichen kleinen Weilern und Dörfern, die sich erst langsam aus der Vergessenheit wieder hervorarbeiten.
© ICEX / Fernando Briones

Etwa 450 Hektar entfallen auf die Hauptsorte Godello, das Verhältnis von weißen zu roten Trauben macht 60 zu 40 Prozent aus. Auch wenn in den kommenden fünf Jahren etwa 220 Hektar Godello-Neupflanzungen dazu kommen könnten, werden die Gewächse der Appellation eine rare Spezialität bleiben. Der für das Anbaugebiet so wichtige Río Sil wird durch drei Zuflüsse gespeist, die mit ihren jeweiligen engen Einschnitten die Terroirs des Haupttals ergänzen. Das Gros der Rebfläche konzentriert sich auf das weniger schroffe rechte Ufer mit seinen zahlreichen kleinen Weilern und Dörfern, die sich erst langsam aus der Vergessenheit wieder hervorarbeiten. Ähnlich wie in der etwas östlich der Provinzkapitale Ourense gelegenen DOP Ribeira Sacra sprechen die Produzenten trotz allem von Gebirgsweinbau und beziehen sich auf unwegsames Terroir mit tiefen Taleinschnitten, gespickt mit Terrassen- und steilen Vertikalpflanzungen. Entsprechend schwer fällt es, allgemeingültige Aussagen zu den Klimaverhältnissen zu treffen. Dennoch sind sich die meisten Winzer hinsichtlich einer Reihe von gebietsspezifischen Eigenschaften einig.

Die für Galicien ungewöhnlich heißen Sommermonate entziehen sich den kühlen westlichen Strömungen, werden aber von den Weinbauern nicht als kontinental, sondern eher als mediterran geprägt definiert. Begründet wird dies mit der für Valdeorras tatsächlich typischen Mittelmeer-Flora wie Lavendel oder den Erdbeerbäumen, ganz zu schweigen von diversen Arten von Olivenbäumen. Vor allem der Winter sei hingegen immer klar atlantisch ausgerichtet, durchaus kühl aber zu mild für ernste Fröste, mit viel Regen und feuchten Winden. Gerade diese klimatischen Kontraste bereiten sozusagen die Basis für ein ideales Godello-Terroir. Denn die Traube weiße trockenen Sommer durchaus zu schätzen. Als sicherer Indikator für den Witterungsverlauf gelte hingegen der Frühling. Er entscheide meistens, ob den Weinbauen ein kühles und feuchtes oder doch eher ein trockenes Jahr mit viel Sonne bevorstünde. Je nach Ausrichtung dieser entscheidenden Monate spräche man bei der Charakterisierung wie auch im Ebro-Tal von einem atlantischen oder mediterranen Jahrgang. Auch das atlantische Galicien kann also in gewisser Weise ein Quäntchen mediterraner Atmosphäre vorweisen.



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